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Hauptbahnhof Stuttgart

Ein Bahnhofs- und Mobilitätsprojekt für das 21. Jahrhundert

Der Bahnausbau Stuttgart–Ulm ist eine der größten Infrastrukturmaßnahmen Europas. Der von ingenhoven associates entworfene künftige Hauptbahnhof bildet den Kern des Verkehrs- und Städtebauprojekts Stuttgart 21. Als lichtdurchfluteter, tiefliegender, 8-gleisiger Durchgangsbahnhof wird er nach seiner Eröffnung den bisherigen 16-gleisigen Kopfbahnhof ersetzen. Die oberirdischen Bahnanlagen im Stadtzentrum werden zurückgebaut. Die freiwerdenden Flächen eröffnen neue städtebauliche Perspektiven. So werden die bisher durch die Gleisanlagen getrennten Stadtteile Stuttgart-Ost und Stuttgart-Nord nach mehr als 150 Jahren wieder miteinander verbunden. Reisezeiten werden deutlich verkürzt.

1997 gewannen ingenhoven associates den internationalen Realisierungswettbewerb für den Um- und Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofes. Die 32-köpfige Jury traf die Entscheidung zwischen den 126 eingereichten Beiträgen einstimmig. Nach Abschluss der Finanzierungsvereinbarung im April 2009 begannen die Bauarbeiten für Stuttgart 21 am 2. Februar 2010. Für die Bahnhofshalle wurde das Bergfest, also die Betonage der 14. von insgesamt 28 Kelchstützen, am 27. Februar 2021 gefeiert. Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2025 wird der künftige Stuttgarter Hauptbahnhof in Betrieb gehen.

Eine neue Mitte für Stuttgart und die Metropolregion

Die Planungen von ingenhoven associates für den Hauptbahnhof beinhalten den Neubau einer unterirdischen Bahnhofshalle, den Umbau des Empfangsgebäudes, die Gestaltung der Freianlagen um und über dem neuen Bahnhof und die Verlegung der SSB-Haltestelle Staatsgalerie, dazu den Neubau des Technikgebäudes sowie des Ver- und Entsorgungsgebäudes. Das markante, von Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer im Zuge eines Architektenwettbewerbs 1910 entworfene, denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude bleibt als Empfangsgebäude erhalten. Der Schlossgarten – als grünes Herz die wichtigste öffentliche Grünanlage Stuttgarts – wird durch die Verlegung der Gleise deutlich erweitert und stärker in die Stadt eingebunden.

Die Entwicklungsmöglichkeiten der Stuttgarter Innenstadt – durch die Lage im Talkessel bereits eingeschränkt – werden bislang durch die oberirdischen Gleise zusätzlich erschwert. Mit der unterirdischen Hochgeschwindigkeitsstrecke gewinnt die Stadt neuen Freiraum. Ein zentrales Element des Entwurfs von ingenhoven associates ist das begehbare Bahnhofsdach – ein neuer begrünter Platz, der in Zukunft beide Seiten des Talkessels verbinden wird. Die Lichtaugen geben einen direkten Einblick vom Platz in die unterirdische Bahnhofshalle. Vier sphärisch gekrümmte Gitterschalen aus Stahl und Glas bilden die neuen Eingänge nach allen vier Seiten. Anstelle der oberirdischen Gleise entstehen in zentraler Lage zwei neue Viertel mit einer zusammenhängenden Fläche von ca. 100 Hektar: Im Rosensteinviertel sind 50 Hektar für Wohnen und Arbeiten, zehn Hektar für Grünanlagen und öffentliche Plätze sowie weitere 20 Hektar für die Erweiterung des Schlossgartens geplant. Das neue Europaviertel ist 20 Hektar groß.

Mit dem leistungsstarken Durchgangsbahnhof mit acht statt bisher fünf zu- bzw. abführenden Gleisen werden zugleich die Reisezeiten im Regional- und Fernverkehr erheblich verkürzt. Der Bahnknoten Stuttgart wird in einem deutschlandweiten Pilotprojekt vollständig mit digitaler Leit- und Sicherungstechnik ausgestattet.

Eine einzigartige Dachkonstruktion

28 Kelchstützen aus weißem Sichtbeton bilden das Schalendach der neuen, unterirdischen, lichtdurchfluteten Bahnhofshalle. Mit ihren frei fließenden, dynamischen Formen prägen sie die räumliche und sinnliche Qualität des Bahnhofs. Die Kelchstützen sind nach oben offen. Über diese sogenannten Lichtaugen, die durch eine Stahl-Glas-Konstruktionen geschlossen werden, fällt Tageslicht in die Halle und erfolgt deren natürliche Be- und Entlüftung.

Eine Schalenstruktur in dieser Form wurde noch nie gebaut. Sie setzt neue Maßstäbe hinsichtlich der Verbindung von Ingenieurtechnik und Ästhetik. Das 450 Meter lange und 80 Meter breite Schalendach ist ein komplexes Gebilde aus antiklastisch gekrümmten Flächen – mathematisch betrachtet eine Freiform, da es keine mathematischen Regelmäßigkeiten gibt, die sie beschreibt. Die Formen sind nicht willkürlich gewählt, sondern folgen auf effiziente Weise dem genauen Verlauf der Kräfte. Es handelt sich hier um eine sehr materialsparende Konstruktion – in der Mitte zwischen den Kelchstützen ist die Betonschale nur 40 Zentimeter dick bei einer Spannweite von ca. 35 Metern.

Die Kelche gliedern sich jeweils in drei Betonierabschnitte: den sich nach unten verjüngenden Kelchfuß, die ausladende Kelchschale sowie die Kelchhutze. Der Außendurchmesser aller 28 Kelchstützen im Bereich des Schalendachs beträgt ca. 32 Meter. Über die leicht variierende Neigung der Kelche und die Länge der Kelchfüße erfolgt die Anpassung an die Geländeneigung zwischen Heilbronner Straße und Schlossgarten sowie die Trassenneigung (8 bis 12 Meter lichte Höhe Bahnhofshalle, ca. 6,5 Meter Höhenunterschied vom Süd- zum Nordkopf auf den Bahnsteigen). Bautechnisch eine besondere Herausforderung ist der Sonderkelch. Als einer der Zu- und Ausgänge des zukünftigen Hauptbahnhofs ist er gegenüber den anderen 27 Kelchstützen um 180 Grad gedreht, ein Aufzug, zwei Treppen sowie zwei Rolltreppen führen durch ihn hindurch. Zugleich verläuft in diesem Bereich nur zehn Zentimeter unterhalb des Bahnsteigs des Tiefbahnhofs der ebenfalls umgebaute S-Bahn-Tunnel. Um dieses Bauwerk lastfrei zu überbrücken, wurde eine ca. 30 Meter lange, unterirdische Spannbetonbrücke errichtet, auf welcher der Sonderkelch sowie ein weiterer Kelch stehen.

Jeder Kelch wird mit 22.000 Bewehrungsstäben bewehrt. Die gesamte Bewehrung des Tiefbahnhofs wird in einer speziell für dieses Projekt errichteten Biegerei gebogen (8.700 bis 11.000 unterschiedliche Biegeformen pro Kelch). Die formgebende Schalungskonstruktion umfasst insgesamt rund 550 dreidimensionale Einzelteile, die zum großen Teil mehrfach eingesetzt werden. Für einen einzelnen Kelch kommen dabei über 80 großformatige Schalkörper zum Einsatz. Sie werden mit CNC-Fräsen aus Nadelholzblöcken (Brettsperrholz) gefräst und anschließend zur Erreichung der Sichtbetonqualität SB4 in einer eigenen Lackierstraße mit einer speziell entwickelten Mischung aus Harzen beschichtet. Dabei werden für eine Kelchstütze bis zu 350 Tonnen Stahl und 685 Kubikmeter Beton verbaut – Spezialbeton, der unter anderem durch die enthaltenen Polypropylenfasern in Brandversuchen über 180 Minuten bis zu 1.200 Grad Celsius aushält.

In der neuen, unterirdischen Bahnhofshalle herrscht stets ein komfortables Klima ohne zusätzliche Raumkonditionierung, also ohne Energieverbrauch für Kühlung, Heizung oder Lüftung. Mithilfe des geringen verglasten Öffnungsanteils, der ganzjährig ca. 15 Grad warmen Tunnelströmung und des umgebenden Erdreichs können Überhitzungen im Sommer sowie ein Auskühlen im Winter weitestgehend vermindert werden. Zugleich reduziert das einfallende Tageslicht den Energieverbrauch für die künstliche Beleuchtung. Auf dem Dach des Bonatz-Baus werden Photovoltaik-Module zur Energiegewinnung für die Beleuchtung installiert.

  • Standort
  • Stuttgart, Deutschland
  • Gebaut
  • Bauphase: Seit 2010

    Wettbewerb: Internationaler Wettbewerb 1997, 1. Preis

    BGF: 185.000 m²